Recht-Lokal
Folgen der Winterreifenpflicht
Jedem Fahrzeugführer (Fahrerlaubnisinhaber) ist zwischenzeitlich sicher bekannt, dass gemäß der Konkretisierung der Vorschrift des § 2 Abs. 3 a der Straßenverkehrsordnung seit dem Inkrafttreten am 04.12.2010 ein Kraftfahrzeug bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte nur mit Winterreifen gefahren werden darf. Als Winterreifen gelten dabei alle M&S-Reifen. Ganzjahresreifen fallen ebenso darunter.
Im Rahmen der Medienveröffentlichungen wurde weiterhin besonders darauf hingewiesen, dass bei einem Verstoß gegen die Winterreifenpflicht das Bußgeld von bisher 20,00 € auf nunmehr 40,00 € erhöht wurde. Kommt es durch den Verstoß zu Behinderungen im Verkehr , erhöht sich das Bußgeld auf 80,00 €. Die Haftung richtet sich allerdings nur gegen den Fahrer und nicht den Halter des Fahrzeugs.
Wesentlich sind aber die weitergehenden Konsequenzen die sich im Rahmen der Kraftfahrzeugversicherung (Haftpflicht- und Kaskoversicherung) für den Versicherungsnehmer, im Regelfall den Halter, ergeben.
So kann insbesondere bei extremen Witterungslagen ein Verstoß gegen § 2 Abs. 3 a StVO im Sinne des § 23 Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) eine erhebliche Gefahrerhöhung darstellen. Dieser Tatbestand tritt allerdings nur ein, wenn das Fahrzeug nicht nur für eine kurze Fahrt, sondern für eine längere Fahrt oder erkennbar den mehrfachen Gebrauch bestimmt ist. Beweispflichtig für das Vorliegen einer durch den Verstoß bedingten Gefahrerhöhung ist der Versicherer. Im Falle der Verursachung eines Schadens gegenüber Dritten - bedingt durch den Verstoß gegen die Winterreifenpflicht - ist die Leistungsfreiheit des Versicherers auf einen Betrag von höchstens 5.000,00 € beschränkt. Bei einer Alleinverursachung eines Verkehrsunfalles und bestehender Kaskoversicherung führt die Gefahrerhöhung allerdings zu einer vollständigen Leistungsfreiheit. Hierbei wird davon ausgegangen, dass der Versicherungsnehmer den gefahrenerhöhenden Umstand, nämlich das Nichtvorhandensein von Winterreifen, kannte und somit die Gefahrerhöhung vorsätzlich verursacht hat.
Aber auch die grobfahrlässige Herbeiführung eines Versicherungsfalles kann gemäß § 81 VVG zu einer Leistungskürzung führen. Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen dem Verhalten des Versicherungsnehmers und dem Eintritt des Versicherungsfalls Kausalität besteht. Es ist nicht erforderlich, dass das Verhalten des Versicherungsnehmers die alleinige Ursache des Versicherungsfalles war. Eine Mitursächlichkeit reicht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus. Wenn auch dem Versicherer die Beweislast für den Nachweis der Kausalität zwischen dem Pflichtverstoß und dem Unfallereignis und die subjektive Seite der groben Fahrlässigkeit obliegt, so können aus dem objektiven Sachverhalt Schlüsse auf das Vorliegen der groben Fahrlässigkeit gezogen werden. So würden die gravierenden Witterungsverhältnisse, die im Dezember des Jahres 2010 geherrscht haben, unschwer den Tatbestand begründen, dass die Benutzung eines Fahrzeuges mit Sommerreifen unter solchen Umständen den Tatbestand der groben Fahrlässigkeit erfüllt.
Es geht somit nicht nur darum, ggf. mit einem Bußgeld und einem Punkteeintrag in Flensburg belangt zu werden, sondern bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges mit Winterreifen (neben den Ärgernissen, die anderen Verkehrsteilnehmern bereitet werden) die Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit anderer Menschen zu vermeiden.
Letztendlich ist nochmals zu unterstreichen, dass es nicht nur auf die Selbstverständlichkeit der Benutzung von Winterreifen, sondern vor allem die notwendige Anpassung der Geschwindigkeit an die Verkehrsverhältnisse ankommt, weil selbst bei dem besten Reifen und technischen Sicherungssystemen eine überhöhte Geschwindigkeit oftmals nicht mehr kompensiert werden kann.
Roland Scholz, Rechtsanwalt
Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen AnwaltVerein
(Döbelner Anzeiger - Ratgeber Recht am 28.01.2011)
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